Die Rosen und Tulpen in der Vase kann man erst bei genauerem Betrachten von echten unterscheiden. Im Zimmer verteilt sind kleine Kugeln, ein Engel, zwei Würfel – alle aus Papier gefaltet von Christian.
Von Florian von Staudt
Florian von Staudt (Abitur 2013) nahm am Projekt „Jugend schreibt“ der „Frankfurter Allgemeinen“ (FAZ) teil.
Der in schwarzem T-Shirt und Jeanshose gekleidete 11-jährige Junge aus einem Dorf nahe Schwäbisch Gmünd, hebt einen Stapel von bunten, quadratischen Blättern auf und nimmt das Buch vom Tisch. Auf dem Cover ist sein Gesicht abgebildet. Um seine blonden Haare herum sind verschiedene aus Papier gefaltete Figuren zu sehen. „Christians Origami-Tricks“ lautet der Titel. Auf der ersten Seite findet sich eine Art Steckbrief.
Im Alter von sechs Jahren besuchte er mit seinen Eltern eine Ausstellung, wo er erstmals der Kunst des Papierfaltens begegnete. Die Japaner, angeregt von den Vorlagen der Chinesen, verfeinerten diese Kunst, aus Papier Figuren ohne Klebstoff und Schere zu falten. Christian war von den Figuren der Ausstellung derartig angetan, dass er selbst mit dem Falten anfing. „Meine erste Figur war ein Frosch“, erklärt er, während er sich ein Blatt von dem Stapel nimmt. Der leidenschaftliche Schlagzeugspieler legt das Blatt vor sich hin, faltet die untere Ecke auf die obere und streicht den Knick glatt. Dann öffnet Christian den Knick und dreht das Papier um 90 Grad. Nun wiederholt er den Vorgang. Ecke auf Ecke, glatt streichen und wieder öffnen. Anschließend faltet er das Blatt so schnell, dass man gar nicht mehr nachvollziehen kann, was er macht. Hier wird etwas geknickt, da hochgehoben, dort gedreht, geglättet und wieder hochgedrückt. Das Ergebnis: ein wunderschöner Schwan. Keine Falte ragt heraus.
„Nach der Ausstellung hat mein Sohn nur noch gefaltet“, sagt seine Mutter, eine zierliche ebenfalls blonde Frau. „Bald lagen überall Origamifiguren. Auf den Tischen, hinter den Sesseln, in Blumenvasen. Heute kann er schon über 70 Anleitungen aus dem Kopf und hat schon eigene Figuren gebastelt.“ Da horcht der lebhafte Junge auf. „Das Wort ,Basteln‘ gefällt mir nicht. Ich falte die Figuren“, erklärt er trotzig und bringt seine Mutter zum Lachen. Mittlerweile faltet er in kleinen Pausen, vor dem Essen, im Auto, einfach überall. Mit seinem selbst geschriebenen Buch für den Frech-Verlag ist er sogar Deutschlands jüngster Origamiautor. „Das war eine lustige Geschichte“, erinnert sich Christian. Auf einer Ausstellung in Bartholomä im September 2009 hat er ein Fotoalbum ausgestellt, in welchem alle seiner bisher gefalteten Figuren abgebildet waren. Nach der Ausstellung fehlte dieses plötzlich. „Ein paar Wochen später rief uns dann der Chef des Frech-Verlags an und sagte, dass er mein Fotoalbum bekommen hat und gern ein Buch mit mir schreiben würde. Dieses Angebot nahmen wir natürlich an.“ Später stellte sich heraus, dass eine ältere Dame das Album mitgenommen und ihrer Freundin gegeben hatte, die es wiederum an ihre Tochter, deren Mann beim Frech-Verlag arbeitet, weiterreichte.
Mittlerweile ist ein zweites Buch in Arbeit. „In dem erkläre ich vor allem Bastelanleitungen, mit denen Jungen den Mädchen Streiche spielen können“, grinst Christian schelmisch, der bereits bei der Sendung „Kaffee oder Tee?“ im SWR und auf der Paperworld Messe in Frankfurt aufgetreten ist. Später will er einmal ein so großer Origamimeister wie sein Vorbild Nick Robinson werden.