Ich war erst 15 Jahre und habe einfach mal eine Boa gekauft, da war dann was los zu Hause.“ Marc Samesch ist ein Reptilienfanatiker. Im Keller seines Hauses in Bartholomä im Ostalbkreis tummeln sich vier Schlangen, eine davon die tropische Klapperschlange, die giftigste ihrer Art, sowie eine zwei Meter lange Boa, die der mittelgroße, durchtrainierte Mann auf dem Arm trägt und streichelt.
Von Ferdinand Maier
Ferdinand Maier (Abiturjahrgang 2013) nahm am Projekt „Jugend schreibt“ teil, die hier vorliegende Reportage erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 25.04.2013.
„Wenn sie ihr Maul aufreißt, dann könnte sie meinen ganzen Kopf verschlingen.“ Demnach würden von den kurzen, hell- braunen Haaren nicht mehr viel übrig bleiben. Ihr Terrarium ist mit einer großen Astgabel ausgestattet, worauf sie für gewöhnlich ihren Platz zum Schlafen sucht. Daneben leben zwei Leguane, Männlein und Weiblein. Der männliche Leguan berührt mit seinem Schwanz den Boden, als er auf dem Arm sitzt. „Die Krallen sind messerscharf, es kam auch schon vor, dass er bei der Paarung seine Partnerin aus Versehen tötete, als er mit seinen Krallen ihren Bauch aufschlitzte.“ Auf dem Tisch neben dem Terrarium stehen vier weitere kleine Käfige mit Vogelspinnen. Auf einem Käfig liegt die Haut einer Spinne von ihrer letzten Häutung.
Dass Marc als 15-Jähriger mit einer Würgeschlange nach Hause kam, brachte seine Eltern an den Rand der Verzweiflung. „So was kommt mir nicht ins Haus!“, war die Reaktion der Mutter. Doch ihr Sohn setzte sich nach langen Diskussionen durch. Im Endeffekt hielt seine Mutter die Schlange mehr in den Händen als er selbst. Nachmittags führte Marc die Schlange auch im Garten spazieren. „Von den Nachbarn war nichts zu hören, das lag vielleicht auch daran, weil sie Rentner waren und nicht mehr den Durchblick hatten“, erzählt Samesch. „Das Interesse für Reptilien war bei mir schon immer da, angefangen im Kindergarten mit Dinosauriern, nur ist es dabei eben nicht geblieben.“ Für seine Frau stellte es deshalb auch keine Probleme dar, da sie schon von Beginn an die Tiere miterlebte.
Samesch war als Kind oft im Wald unterwegs und hielt nach Blindschleichen, kleinen Echsen und Ringelnattern Ausschau, die er dann mit nach Hause nahm. Schließlich kaufte er in einer Zoohandlung eine Baby-Boa, die in seinem Zimmer in einem Terrarium ihren Platz fand. „Als sie dann etwas größer wurde, hat sie auch in meinem Bett geschlafen.“ So bekam jede Nacht ihr besonderes Dschungelflair. „Tagsüber hielt sie sich meistens außerhalb des Terrariums in meinem Zimmer auf. Das Beste war, man betrat das Zimmer nur, wenn auch ich anwesend war.“ Die Boa roch mit ihrer Zunge dem Unbekannten entgegen und ließ ihn nicht ins Zimmer, wenn der Geruch ihres Besitzers nicht in der Nähe war. Somit wurden unerwünschte Besucher ferngehalten.
Nach einiger Zeit suchte Samesch nach einer neuen Herausforderung und erwarb eine Tigerpython. In seinem Haus sitzt der 41-Jähriger umgeben von einem kleinen Urwald tropischer Pflanzen, und berichtet von seinen Tieren. Die Fütterung seiner Schlangen versucht Samesch natur- getreu zu variieren und gibt ihnen in langen Abständen etwas zu fressen. Zur Nahrung zählen hauptsächlich Mäuse und Küken. Seit langem hat er mit einem Zeckenbiss zu kämpfen. „Gefährlicher sind die kleinen Tiere, die man nicht sofort wahrnimmt, weniger meine Schlangen.“
Das Gift seiner Klapperschlangen wird für pharmazeutische Zwecke verwendet, daraus werden Medikamente hergestellt. Je nach Nachfrage melkt Samesch das Gift seiner Schlangen und gibt es an Apotheken weiter. Zur Giftgewinnung wird über ein Trinkglas eine Folie gespannt, um zu verhindern, dass Bakterien an das frische Gift gelangen können. Da das Gift meistens über den Zahn herunterläuft wird das Maul aufgerissen und die Zähne werden leicht gegen den Glasinnenrand gedrückt, sodass das Gift in das Glas tropft. Da die Schlangen das Gift nicht freiwillig abgeben, wird an den Giftdrüsen entlang nach vorne massiert. „Das ist das Gefährlichste, was man mit den Schlangen machen kann, deswegen muss man da voll konzentriert und bei der Sache sein.“
Das Gift einer tropischen Klapperschlange wirkt sowohl neurotoxisch – was folgt ist eine Atemlähmung – und führt zur Störung der Blutgerinnung und Gewebszerstörung. Allzu lange besitzt Sa- mesch seine Klapperschlangen noch nicht. Angefangen hat es vor zwei Jahren, als er gefragt wurde, ob er nicht auch Gifte verkaufen wolle. „Demnächst will ich noch eine Genehmigung beantragen, um mehr Gift verkaufen zu können.“ Apotheken gehören im Moment seinem Abnehmerkreis an, sie stellen ein homöopathisches Medikament her.