„Dies Volk liebt zwar die Freiheit – doch nicht die, die sich für sie geopfert“ haben, schreibt Rolf Hochhuth über die Deutschen in einem Gedicht. Ein Thema lässt den deutschen Dramatiker nicht los: die um ihren Nachruhm Betrogenen.
Von Lisa Becke
Lisa Becke (Abitur 2013) besuchte Rolf Hochhuth im Juli 2012.
Der 81-jährige Aufklärer widmet sich in seinen Werken häufig dem Hitler-Attentäter Johann Georg Elser, der 1938, ein Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, die Gefahr durch Hitler erkannt und Vorbereitungen zur Beseitigung „dieses Kranken“, wie Rolf Hochhuth Hitler bezeichnet, begonnen hat. Hochhuth zeigt seine Entrüstung darüber, dass sechs Jahrzehnte nach Elsers Attentat dessen Name in keinem Lexikon erwähnt und somit seine „große Leistung“ in keiner Weise gewürdigt wurde. Der Autor bezeichnet es als „schicksalhaft, wie die Nachwelt Georg Elser beschnitten hat“. Der schwäbische Tischler hätte Deutschland von Hitler befreit – wäre der Diktator am 8. November 1939 nur länger im Münchner Bürgerbräukeller, wo er eine Rede hielt, geblieben. Jedoch verließ Hitler den Saal elf Minuten bevor die Bombe zündete, die Elser fünfunddreißig Nächte lang allein, in mühevoller Arbeit in eine Säule hinter Hitlers Rednerpult einbaute, und die anstelle Hitlers eine Kellnerin und sieben Nazis in den Tod riss. Dieser „einzige Deutsche, der 1939 ebenso konsequent war wie Adolf Hitler“ beschäftigt Hochhuth bis heute, wovon ein Leitz-Ordner mit der Aufschrift „Elser 2012“ zeugt. So setzte er sich massiv für ein Elser-Denkmal in Berlin ein, welches im November 2011, am 72. Jahrestag des Elser-Anschlages eingeweiht wurde. Die um die 17 Meter hohe Stahlskulptur, keine 200 Meter von Hochhuths Wohnung und dem Holocaust-Mahnmal entfernt, zeigt die Silhouette von Elsers Gesicht und Hochhuth ist erfreut, dass es sich bei dem 200 000 Euro teuren Denkmal vom Künstler Ulrich Klages um keine „gegenstandslose Kunst“ handelt. Er bezeichnete das Denkmal in seiner Rede anlässlich der Einweihung als „absolut geglückt und von einsamer Größe“. Allerdings wirft Hochhuth der Nachrichtenagentur dpa vor, nicht in ausreichendem Maße über die Einweihung berichtet zu haben und tat dies auch öffentlich kund, woraufhin die dpa ihn wegen Rufschädigung auf 250 000 Euro verklagt habe.
Johann Georg Elser ist jedoch nicht der Einzige in Vergessenheit Geratene, welchem sich der bekannte deutsche Autor widmet. Hochhuth schrieb eine Erzählung über einen Mann, der ebenfalls zur Zeit des Zweiten Weltkriegs lebte und wirkte, allerdings in England: Alan Turing. Der Erfinder eines Computervorläufers konnte die Funksprüche der Deutschen im Zweiten Weltkrieg im Geheimen in Minutenschnelle entschlüsseln. Doch auch seine Arbeit war in Vergessenheit geraten. Um dem entgegenzuwirken, tritt Hochhuth mit Leib und Seele für Persönlichkeiten wie Turing oder Elser ein. Mit seinen Werken und seinem Engagement für das Elser-Denkmal will er dazu beitragen, dass solchen vergessenen Helden der Geschichte der Ruhm zuteil wird, der ihnen zusteht.