Von Vanessa Novak (Klasse 10a)
In Erinnerungen schwelgend erzählt der 24-jährige Alexander Relea-Linder von seinem ersten Treffen mit Sahra Wagenknecht. Spontan, im Rahmen eines Praktikums in der Berliner Bundestagsfraktion, hatte er VIP-Karten zu einem Interviewbesuch bei der Talkshow „Anne Will“ angeboten bekommen und durfte als Begleitung der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Studio dabei sein, inklusive anschließender Diskussionsrunde hinter den Kameras mit ihr und Edmund Stoiber über die Fußballereignisse des Tages. Der glamouröse Politzirkus in Berlin, und Alexander Relea-Linder auf einmal mittendrin. Es war sein Durchbruch über Nacht. Im September 2017 kam die prominente Linken-Politikerin dann sogar nach Schwäbisch Gmünd, um ihn bei seinem Bundestagswahlkampf zu unterstützen. Ab diesem Zeitpunkt drehten sich nun auch die Menschen auf den Straßen nach ihm um.
Vor zehn Jahren hätte dies jedoch niemand erwartet, denn in seiner Schulzeit zeigte er noch nicht so viel Ehrgeiz und Einsatz wie heute. Seine Noten variierten wild, nur in persönlich favorisierten Fächern, wie Gemeinschaftskunde, Geschichte und Religion, konnte er glanzvolle Ergebnisse vorweisen, ganz anders in Mathematik und Latein. Sein eigentliches Ziel, nämlich Klassensprecher zu werden, konnte der Gmünder Schüler während all der Schuljahre nicht erreichen, erst in seinem Abschlussjahr wurde er dann gewählt, doch viel bewirken konnte er dann auch nicht mehr. Die Inspiration, bereits als Schüler politisch tätig zu werden, kam von seiner damaligen Gemeinschaftskundelehrerin, die sein Interesse sofort bemerkte und ihn ermutigte, einer Partei beizutreten. Nun ist er seit seinem 15. Lebensjahr schon in der Politik aktiv. Bei den Jusos der SPD angefangen, wurde er zuerst stellvertretender Stadtverbandsvorsitzender und schließlich Mitglied im Kreisvorstand, schloss sich aber dann 2014 aufgrund von politischen Differenzen den Linken an, wo er 2016 in den Landesvorstand gewählt wurde. Seine Abiturzeit beschreibt er als Knackpunkt, in der er seine Einstellung komplett änderte. „Mir wurde klar, dass von nichts nichts kommt und ich mich reinhängen muss, um etwas zu erreichen.“, meint Relea-Linder in einem ihm eigenen engagiert-bodenständigen Ton. In diesem Zeitraum konvertierte er auch vom katholischen zum evangelischen Glauben, da ihm dieser liberaler und in Sachen Homosexualität und Frauenrechte offener erschien. Allgemein lebt und handelt er nach christlicher Sozialethik und folgt seiner Überzeugung: „Auf der Welt ist genug für alle da“. Seine Eltern, die 1988 vor dem Ceausescu-Regime geflohen sind und sich eine neue Existenz in Deutschland aufbauen mussten, prägten diese Haltung mit. Ganz solidarisch und idealistisch strebt er nach sozialer Gerechtigkeit: die Kluft zwischen Arm und Reich müsse sich mehr schließen, jeder solle ein Recht auf eine Mahlzeit und gleiche Bildungschancen haben können. Er selbst sieht sich als Sprachrohr, der die Menschen vor Ort auf soziale Missstände aufmerksam machen kann. Ein guter Politiker sollte die Fähigkeit haben, den Bürgern zuzuhören, ihre Inhalte aufzunehmen, die Probleme zu begreifen und dann erst Lösungen zu überlegen. Beim Thema Politik ist er ganz in seinem Element, holt weiter aus und gestikuliert leidenschaftlich. „Wenn man kein Polit-Junkie ist, und die Politik nicht lebt, hält man diesen Beruf nicht durch.“ Und so erklärt er lebhaft weiter: Die Bildungspolitik müsse sich mehr an der Basis orientieren und den betroffenen Lehrern und Schülern mehr Gehör schenken. TTIP und CETA seien Fehler und die Freie Marktwirtschaft führe zu nichts.
Seine Stärken sind das Kommunizieren und Organisieren, seine Schwäche die Ungeduld. Diese ist für den Realo-Politiker oft schwer auszuhalten, wenn man betrachten muss, wie langsam Politikbeschlüsse in die Tat umgesetzt werden oder gar im Vorfeld scheitern. Auch die Schattenseiten eines Politikerlebens hat er bereits erfahren dürfen. Der Wahlkampfdruck sei hoch, man werde leicht auf die Politikerexistenz und das Image des Linksliberalen reduziert, der Mensch gerate dabei in den Hintergrund. Außerdem ist man von der rechtsnationalen Seite Drohungen ausgesetzt, die bis ins Privatleben reichen. Doch das Politikerdasein, aktuell ist Relea-Linder tätig als wissenschaftlicher Referent eines Bundestagsabgeordneten und pendelt zwischen Berlin (Sitzungswoche) und Schwäbisch Gmünd/Ulm (Wahlkreisarbeitswoche), erfährt er als inspirierend und abwechslungsreich. „Man lernt so viele Menschen kennen, ist unterwegs, sieht und erfährt viel.“ Doch ein guter Rückhalt ist wichtig. Familie und Freunde, mit denen er gern noch auf ein „gepflegtes Bier mit Currywurst“ ausgeht. Ansonsten geht er schwimmen, fährt Rad, spielt Tischtennis und liest gerne Biografien und Sachbücher zum Thema Politik in seiner Freizeit, die dieses Jahr jedoch aufgrund des Wahlkampfes und des Beendens seines Studiums der Sozialwissenschaften ziemlich knapp bemessen war. Wenn er nicht Politiker wäre, wäre er wohl politischer Schriftsteller oder würde für Stiftungen oder Gewerkschaften arbeiten, er will einfach Leuten helfen. Da 2017 ein anstrengendes, hartes Jahr für ihn war, erhofft er sich für das kommende Jahr etwas mehr Zeit für Familie und Freunde, und auch weltpolitisch mehr Ruhe. Bevor es dann wieder mit voller Kraft in die Vorbereitungen für die Kommunalwahl 2019 geht.